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Unsere gesamte Branche ist in Bewegung: Während wir dieses Jahr schon zwei Unternehmen gekauft haben, scheinen sich andere Wettbewerber gegenteilig zu entwickeln. Allein zwei "Multi-Nationals" zerfallen vermutlich bald wieder in ihre Einzelteile. Ein anderer hingegen, unser "Lieblings-Konkurrent", meldet sinkende Umsätze im letzten Quartalsbericht. Aus unserer Sicht: kein Wunder.

Im Moment habe ich fünf mehr oder weniger konkrete Angebote von Übernahmekandidaten auf dem Tisch. Teilweise sind die Firmen zu klein für den Markt geworden, haben Probleme mit Banken, oder passen bei den Herstellern nicht mehr so richtig in die Channel-Strategie.

Das wäre eine schöne Gelegenheit, unser Wachstum noch weiter zu steigern, wäre da nicht die leidige Frage der Unternehmensbewertung der potenziellen Kaufkandidaten.

Ich weiß dabei oft nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Hier eine Auswahl der irrigsten Annahmen der Firmeninhaber ... ich versichere, all diese Sätze schon in jeweils mindestens fünf Sprachen gehört zu haben:

- "Meine Firma macht 15% Marge in der Distribution, und das wird immer so bleiben. Nein, es gibt keinen Trend zu sinkenden Margen, das ist in meinem Land XXX ganz anders als sonst überall." - "Es ist doch egal, was die Firma wert ist! Der Kaufpreis muss so hoch sein, dass ich bequem in Rente gehen kann." - Die Steigerung: Gibt es mehrere Eigentümer, dann muss auch der Kaufpreis höher sein, denn es wollen ja alle bequem in Rente gehen. - "Nein, Garantien für Außenstände oder den Lagerwert kann ich natürlich nicht geben, gehen Sie mal davon aus, dass das alles 100% werthaltig ist." - "Eigentlich hätte die Firma viel mehr verdient, aber ich habe mir so ein hohes Gehalt gezahlt" (weil natürlich die Firma nach der Übernahme keine Geschäftsleitung mehr braucht) - "Wir machen nur Verluste, weil wir Steuern sparen wollen."

Nicht mal mehr unsere amerikanischen Mitbewerber fallen auf so etwas herein :)

Dabei muss in den meisten Fällen nur mal ein Hersteller die Entscheidung treffen, den Vertrag mit dem Distributor zu kündigen, und schon ist der Unternehmenswert plötzlich bei null oder darunter.

Liebe Leute, wir leben im Jahr 2012, es gab eine Finanzkrise, Übernahmen müssen immer cash-positiv sein. Das geht, und kann auch gut für beide Seiten sein. Aber ohne eine etwas realistische Sicht auf die Dinge klappt es eben nicht. Schließlich kann man Eigenkapital nicht backen.

Wie auch immer, ich werde unermüdlich weiter verhandeln (ich werde ja immerhin dafür bezahlt), und hin und wieder auch eine kreative Lösung finden. Aber im Zweifel wachsen wir dann doch lieber organisch als mit viel Geld den Ruhestand anderer zu bezahlen.