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Unsere Hersteller erwarten, dass wir an gewissen Events teilnehmen. Jährliche Partner-Meetings in jeder Region, Quartals-Updates, »Global Summits« und so weiter. Würde ich da jedes Mal hingehen, wäre ich vermutlich nie im Büro (und ich mag mein Büro).

Manchmal ist es ganz toll, aber sehr oft auch eine Lehrstunde dafür, wie man Zeitverschwendung auch noch kompliziert gestalten kann.

Meistens haben diese Events einen Tag mit Inhalt, aber man sollte doch bitte am Tag vorher schon dort sein zur Begrüßungsrede und zum Welcome Cocktail. Auch der dritte Tag sei wichtig, denn man fasst nochmal alles zusammen. Am zweiten Tag gibt’s massenweise Powerpoint auf die Augen, und zwar schon so früh, das man nicht am selben Tag anreisen kann; und auch gerne von Leuten vorgetragen, die eigentlich gar nicht präsentieren können (oder wollen). Noch besser: Es gibt auch immer eine »Fun«-Veranstaltung, die natürlich vorher »streng geheim« ist. Entweder ist das dann eine Fahrt mit Geländewagen, eine Brauerei- oder Weinkellerei-Besichtigung oder Ähnliches. Natürlich ist auch der Ort streng geheim. Kindergeburtstag für Erwachsene! Es gibt einen Bus dorthin und zurück, und somit kann man natürlich auch nicht eher weg. Diese Veranstaltungen sind gut gemeint, gehören aber - optional - an das Ende einer Veranstaltung. Nicht jeder möchte seine Freizeit mit seinen Wettbewerbern und Lieferanten verbringen.

Und wenn, dann doch bitte mit Tischordnung am Abend, damit sich die richtigen Leute treffen. Wie oft habe ich Abende mit Herstellerpartnern aus Südamerika und Herstellerangestellten aus Nordamerika verbracht. Alles nette Leute, aber ganz einfach nicht unser Geschäftsgebiet. Meist tauscht man nicht einmal die Visitenkarten aus. Das sagt wohl alles darüber, wie sinnlos die Zeit vergeudet wurde. Oft sind unsere Ansprechpartner der Hersteller gar nicht vor Ort, weil man seinen eigenen Mitarbeitern die Reisekosten und den Zeitaufwand nicht zumuten kann. Hört, hört.

Das Hauptproblem sind aber die Austragungsorte. Wir beten unseren Herstellern seit Jahren vor: Bitte nehmt Orte, die man auch per Linienflug vernünftig erreichen kann. Davon gibt es genug! In der Praxis entscheiden sich Eventagenturen dann aber letztlich immer für supertolle Feriendestinationen, und zwar immer genau vor Beginn oder nach Ende des Sommerflugplans.

Nach Madeira, Malta, Faro oder Jerez de la Frontera etc. kommt man selbst aus Frankfurt in der Nebensaison nur per Umsteigeflug, oder nur einmal pro Woche. Und das ist nur die Lage ex Frankfurt - wer aus Bremen oder aus Sevilla anreist, hat sowieso schon schlechtere Karten und braucht dann sieben Stunden für die Anreise.

Warum plant man an so einem Ort? Na klar: weil es billig ist. In der Nebensaison gibt es eben Zimmer zu Witzpreisen in Fünf-Sterne-Hotels und die Anreise für den eigenen Mitarbeiterstab ist entsprechend günstig. Die Destination wird danach ausgesucht, ob es zufällig einen Ryanair-Flug von der jeweiligen Firmenzentrale in das ausgesuchte Niemandsland gibt, aber wie die Kunden dorthin kommen, spielt keine Rolle. Und warum ist der Tagungsort so günstig? Genau, weil nämlich zu dieser Zeit an diesem Ort niemand freiwillig sein möchte. Je abgeschiedener der Ort, desto weniger kann ich so eine Tagung mit anderen Dingen verknüpfen. Oft heißt es aber »unsere Kunden reisen gerne schon Tage vorher an und legen sich auf Firmenkosten an den Strand.« Hoffentlich vergessen diese Leute dann nicht, zur Tagung zu erscheinen :)

Da alles von einer Eventagentur geregelt wird, hat sich oft auch niemand vom Hersteller den Ort angesehen, geschweige denn, dort mal das Essen probiert. Auch führen Hotels lautstarke Renovierungen besonders gerne in genau dieser Nebensaison durch.

Normalerweise gibt es auch bis kurz vorher keine Agenda, sondern nur ein »Save-the-Date« für drei Tage, und damit kann man schon gar nicht vorab planen. Ich will aber planen, und zwar frühzeitig! Ich ergebe mich doch nicht einfach drei Tage einem Lieferanten!

Übler ist es nur, wenn man dann vor Ort sieht, dass es eigentlich gar nichts zu besprechen gibt, weil der Hersteller zum Beispiel sein neues Partnerprogramm noch gar nicht fertig hat, Preise und Lieferzeiten zu den neuen Produkten nicht feststehen und die Präsentationen viele betriebswirtschaftliche Formeln, aber keine greifbaren Inhalte haben. Wir wollen auf einer Herstellerveranstaltung wissen, wie wir mit dem Hersteller für uns oder unsere Kunden mehr Geld verdienen können. Die Profitmaximierung des Herstellers hingegen interessiert uns wenig.

Natürlich sind die Meetings nur für »top executives«, soll heißen, der Geschäftsführer möge bitte selbst antanzen. Ich kenne in unserer Branche aber keinen Geschäftsführer, der sich gerne in einem stickigen Saal Datenblätter von Produkten vorlesen lässt. Also bitte dann auch ein entsprechendes Programm! Oft gibt es dann auch Einzelmeetings mit der Topetage der Hersteller aus den USA oder Japan: Man sitzt sich gegenüber, aber der Top Dog hat leider weder eine Ahnung, wer Jarltech ist oder was wir machen. Und wo ist überhaupt dieses komische Europa?

Und auch ein Partnerprogramm ist nichts wert, wenn ich 20 Powerpoint-Folien benötige um es zu erklären. Dann wird unser Reseller-Kunde es sich ganz bestimmt nicht einmal ansehen.

Dazu kommt dann, dass das schöne Hotel am Strand nur Konferenzräume ohne Fenster hat, und dass wegen der teuren »Fun«-Veranstaltung leider wieder nur Geld für ein Buffet mit Tomaten und Plastikmozzarella übrig war. Ganz zu schweigen vom Tetrapak-Wein. Ganz ehrlich: Wenn eine Veranstaltung interessant ist, dann zahlt der Gast auch gerne etwas dafür, und kann auch sein Essen bezahlen. Aber haben die Hersteller Angst, dass dann keiner mehr kommt, weil die Kosten dann in gar keinem Verhältnis mehr zum Inhalt stehen?

Ein Trend ist auch, dass Hersteller sich ihre Veranstaltungen von den Kunden bezahlen lassen. Wir werden genötigt, ein Buffet »sponsored by Jarltech« anzubieten oder Jarltech Banner im Frühstücksraum aufzuhängen. Gerne werden auch mal 5.000 Euro für Lanyards (das sind diese Schlüsselanhänger, mit denen man sich sein Namensschild um den Hals hängen muss) abkassiert. Oft dürfen wir das zwar aus unserem Marketing-Budget beim Hersteller bezahlen, aber bis dahin war es mal »unser Geld«. Sprich: Ich gebe Dir Marketing-Geld, aber sage Dir, wie Du es mir zurückgeben musst. Der Werbeeffekt soll angeblich toll sein, denn es sind ja auch »die größten Reseller-Partner« da. Es gibt aber nur drei paneuropäische Distributoren, und wenn ein Reseller die nicht alle kennt, dann will er eben ohnehin keine Preise und Leistungen vergleichen.

Das Schlimmste: Das oben angesprochene Buffet ändert sich in der Qualität leider nicht durch unser Sponsoring (man kann also nicht mal eine persönliche Note setzen) und meine Wettbewerber freuen sich auch nicht, wenn Sie den ganzen Abend einen "Jarltech Breeze"-Cocktail trinken müssen. Ich habe schon genüg Häme kassiert nach dem Motto »Danke für das Sponsoring des Mittagessens, aber Sie wollen uns wohl vergiften.« Tut mir leid, die Qualität verantwortet die Eventagentur, die aus mickrigen, vom Hersteller genehmigten Speisepauschalen noch ihre Marge herausziehen muss.

Ich habe den Eindruck, dass Konzernlenker oft solche Veranstaltungen einmal pro Jahr machen müssen (wegen der Kundennähe) und dafür vielleicht auch einen Bonus bekommen. Lieber wäre es mir aber, man machte ein Event, wenn es etwas zu erzählen gibt, und nicht nur, weil man ein Event machen muss.