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Wenn ich Kunden oder Lieferanten erzähle, dass wir unsere eigene Betriebssoftware nutzen, schauen mich einige mit großen Augen an. In einer Gruppe mit 110 Mitarbeitern hätte man SAP oder Navision erwartet. Nein, das haben wir nicht, und auch aus gutem Grund nicht. Seit ich vor 20 Jahren angefangen habe, habe ich meine ERP-Software immer selbst geschrieben, anfangs unter dBase II. (Mir fällt gerade auf, dass die Word-Rechtschreibkorrektur das Wort „dBase“ nicht mehr kennt:)). Mittlerweile beschäftigen wir ein Team von drei Programmierern, die an unserer „Webfaktura“ arbeiten. Nicht nur die Manpower kostet Geld, die Software muss auch jedes Jahr von einem Spezial-Wirtschaftsprüfer zertifiziert werden. Trotzdem glaube ich, dass diese Software ein echtes Alleinstellungsmerkmal von uns ist, das uns von Konkurrenten unterscheidet.

Wenn bei Jarltech der Chef auf die Idee kommt, einen Blog schreiben zu wollen, und zwar in zwei Sprachen (englische Texte werden von unserer Übersetzerin nachgetragen) und wahlweise mit Twitter-Funktion und Spam-Filter für die Antworten, dann läuft das eben am selben Tag noch. Oder eine Umstellung von DPD auf UPS, ein Wegeführungssystem fürs Lager, ein Konferenzraumbelegungsplan oder oder oder. Unsere Webfaktura arbeitet neben Deutsch und Englisch übrigens auch auf Chinesisch.

Aber viel wichtiger als die Geschwindigkeit ist auch eine neue Rolle, die man als Distributor zwischen Hersteller und Wiederverkäufer einnimmt. Beide wollen voneinander wissen und miteinander kommunizieren, aber die Softwarepakete verstehen sich nicht. Also sind wir als Interface dazwischen. Und ganz ehrlich, wenn ein Kunde sich entscheidet, seine Einkäufe in Zukunft lieber bei uns zu machen, dann kann ich nicht erst irgendwo wochenlang einen Programmierauftrag vergeben, sondern ich will den Umsatz sofort.

Oder werden Sie mal Distributor von HP – die Verzahnung der EDV-Systeme ist eine echte Herkulesaufgabe, aber ich bin mir sicher, dass wir das schneller hinbekommen, als wenn wir einer externen Firma erst erklären müssen, worum es geht. Genauso Wünsche von Kunden. Ein Kunde hatte die geniale Idee, uns sein Briefpapier einzuscannen, damit wir für sein Streckengeschäft Ware mit Lieferscheinen auf seinem Briefpapier drucken können. Superidee, und schon funktioniert das, und zwar für alle Kunden, mit Lieferscheinen in allen wichtigen Sprachen.

Um unsere Software finanziell zu bewerten, haben wir das aktuelle Pflichtenheft an einen Hersteller für Standard-ERP-Software geschickt, mit der Bitte, seine Module so zusammenzustellen und zu ergänzen, dass es für uns weltweit passt. Ergebnis: Knapp 700.000 Euro, inklusive ein paar Monaten Migrationsphase. Natürlich steckt auch jetzt genauso viel Geld in der Software, aber, wir können die Prioritäten für die Weiterentwicklung jeden Tag selbst setzen. Unsere Mitarbeiter haben ein Tool, um Verbesserungsvorschläge zu machen, die dann umgesetzt werden. Das sind immer noch Hunderte, und teilweise geht es doch sehr weit ins Detail. Aber: Es macht den Vertrieb und die Technik schneller und für den Kunden unkomplizierter.

Ein befreundeter IT-Professor sagte mir mal, dass man in der Praxis bei mittelständischen Unternehmen damit aufgehört hat, die großen Softwarepakete zu individualisieren. Stattdessen wird der Ablauf des Betriebs einfach an die Standardsoftware angepasst, das ist oft letztlich billiger. Na schön – aber ich denke, unsere Firma unterscheidet sich durch seine Arbeitsweise von anderen Firmen, und das möchte ich nicht verlieren. Wenn sich am Ende alle Firmen an die drei großen Softwarepakete angepasst haben, dann arbeiten endlich alle gleich …