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Alibaba-Chef Jack Ma ist der festen Auffassung, dass längere Arbeitszeiten ein Booster für die Karriere darstellen. Wer nicht lange genug arbeitet, könne mit Erfolgen kaum rechnen. Doch liegt der Multimilliardär mit dieser Meinung wirklich richtig?

Sechs Tage die Woche von 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends arbeiten: Das fordert Jack Ma, Gründer und Chef des Online-Händlers Alibaba. Der 40-fache Milliardär schrieb im sozialen Netzwerk Weibo, dass eine 72-Stunden-Woche gar »kein Problem« darstelle. Problematisch wäre die nur für Leute, die ihre Arbeit ohnehin nicht mögen.

Ich finde: Natürlich muss Arbeit bezahlt werden. Und die allermeisten Menschen brauchen auch ein Privatleben. In unseren Verträgen stehen immer die Stunden pro Woche, die gearbeitet werden (sollten). Und im gewerblichen Bereich muss jede Überstunde bezahlt sein. Aber was ist mit Mitarbeitern, die ganz unterschiedlich zum Erfolg kommen können? Ein Mitarbeiter im Vertrieb kann in acht Stunden hundert Leute anrufen oder auch nur zwei. Der mit den zwei Anrufen ist vielleicht der, der mehr Erfolg hat, weil er sich ganz besonders um die beiden Kunden kümmert. Er könnte aber auch den halben Tag träumen. Weiß man es? Wer geht wie oft Rauchen am Tag? Wird dabei geschäftlich telefoniert oder mit einem Kollegen ein Fall besprochen oder eher auf dem Handy gespielt? Geht ein Mitarbeiter pünktlich wie ein Uhrwerk, »klaut« sich aber zwei Stunden vom Arbeitstag, durch WhatsApp oder private Schwätzchen?

Ganz genau, die Gruppe, die sich morgens Gedanken macht, wie viele Minuten man dem Arbeitgeber am Tag am besten »hinterziehen« kann, schließt Jack Ma ohnehin aus, denn die werden ohnehin keinen Erfolg haben. Aber kann eine Firma »erwarten«, dass jemand mehr arbeitet, als im Vertrag steht? Ab welcher Gehaltssumme ist das so? Ab 40.000 Euro im Jahr? Ab 80.000 Euro? Dann könnte man ja auch sagen: »Willst Du die 80.000 verdienen, dann musst Du schon vorher zeigen, dass Du das alles machst.« So wie man früher in der Werbebranche jahrelang als Praktikant für lau arbeiten musste, rund um die Uhr, in der Hoffnung, dann später mal den guten Job zu bekommen.

Meine Meinung: Alles Quatsch. Wer auf die Minuten schaut, hat keinen Spaß. Und zwar der Arbeitnehmer offenbar nicht – weil, wenn die Arbeit nicht erledigt ist, nimmt man Druck mit nach Hause – und der Arbeitgeber auch nicht. Was interessiert denn den Arbeitgeber, wer wie oft auf die Toilette geht, wenn das Ergebnis stimmt?

Aber wenn ein Mitarbeiter in einer kommerziellen Abteilung, in der er Karriere machen will, darüber meckert, dass es gelegentlich eine Schulung außerhalb der Arbeitszeit gibt? Natürlich kann man dafür Überstundenlohn oder Freizeit fordern. Aber ein Arbeitgeber kann auch von einem Mitarbeiter erwarten, dass er sich weiterbildet. Schlimm genug, dass die Firma das überhaupt initiieren muss. Und glauben Sie mir, ich habe auch schon gesehen, dass die Teilnahme an einer Weihnachtsfeier als Überstunden abgerechnet wurde.

Was ist mit Abendessen mit Kunden, Lieferanten oder Kollegen? Ist das Arbeitszeit oder kostenlose Verpflegung? Für mich zum Beispiel ist das in den meisten Fällen Spaß. Und wer keinen Spaß hat an der Arbeit, wird vermutlich auch keinen Erfolg haben. Vielleicht ist das der entscheidende Faktor.