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Ein Kampf, den wir immer wieder führen müssen, ist der Kampf um ausreichende Kreditlimite für unsere Händler. Wir finden meistens eine Lösung, weil wir uns nicht nur auf die Kreditversicherer verlassen, sondern auch häufig darüber hinaus eigene Limite zeichnen. Häufig stocken wir die Limite der Kreditversicherer auf eigenes Risiko deutlich auf.

Geht das nicht, finden wir oft eine kreative Lösung – zum Beispiel: Der Reseller hat nicht genug Limit, aber einen tollen Endkunden. Wir arbeiten zwar nicht mit Endanwendern zusammen, fakturieren aber durchaus auf Wunsch des Händlers zum vereinbarten Preis an einen Endabnehmer, und zahlen dann die Marge an den Händler aus. Der Händler hat dann zwar nicht den Umsatz in den Büchern, aber den vollen Profit und verliert das Risiko.

Wenn der Umsatz unbedingt in den Büchern sein muss, kann das auch so geregelt werden, dass der Endanwender an uns treuhänderisch bezahlt. Ja, so ein Gespräch mit einem Endkunden ist doof, aber keine Angst: Wenn ich eine tolle Softwarelösung habe, aber eben nur eine kleine Firma bin, dann hat auch ein großer namhafter Endkunde Verständnis für so eine Lösung. Das hören die nicht zum ersten Mal.

Kreditlimite sind wichtig für uns alle, wie die Luft zum Atmen. Leider machen sich manche Unternehmer aber überhaupt keine Gedanken darüber, wie sie ihre Kreditwürdigkeit verbessern. Und mich ärgert das.

Das betrifft vorwiegend kleine Firmen, die plötzlich einen großen Auftrag bekommen, und dann mal eben 500.000 Euro Kreditlimit brauchen, obwohl in ihrer Gesellschaft gerade mal 20.000 Euro Stammkapital stecken. Da fragt man sich manchmal, warum wir eigentlich mehr Risiko übernehmen sollen als die Unternehmer selbst.

Oft höre ich: »Mein Endkunde ist die Milliardenfirma Mustermann AG, die Zahlen auf jeden Fall, und dann bekommt auch Jarltech seine Kröten.« Kann sein. Aber wenn mein Händler Mist baut oder der Endkunde behauptet, die Lösung arbeitet nicht so, wie sie soll – dann bezahlt die Mustermann AG einfach nicht. Wenn der Händler seine Finanzen knapp gestrickt hat, kann dann schnell der Ofen aus sein, vor allem wenn man nicht auf eine höchstrichterliche Entscheidung mit 100 Gutachten in drei Jahren warten kann.

Vielleicht hilft es dem ein oder anderen mal zu hören, wie ich vor 25 Jahren – leider ganz ohne Kapital – angefangen habe, die Kreditwürdigkeit von Jarltech aufzubauen und zu pflegen.

Jede neue Bilanz wurde noch am Tag des Erscheinens an die bekannten Kreditversicherer und Auskunfteien geschickt, voll transparent und mit Kommentierung. Meine Banken, beziehungsweise war es am Anfang nur eine, haben zusätzlich noch jeden Monat einen Monatsbericht mit Auftragseingangszahlen erhalten, und ein paar Infos was uns so umtreibt. Obwohl keiner darum gebeten hatte. So baut man Vertrauen auf.

Wer keine Zahlen herausgeben möchte, hat meistens etwas zu verstecken. Für den Satz »Ich gebe keine Zahlen raus, sonst bekommt die noch die Konkurrenz« gibt es nur eine Übersetzung, und die lautet: »Die Zahlen sind zu schlecht zum Vorzeigen«.

Auch wer nicht Betriebswirtschaft studiert hat – ich habe auch bis heute keine Universität von innen gesehen – muss verstehen, was eine Eigenkapitalquote ist. Und wenn die eben nur am Bilanzstichtag wichtig ist, dann muss ich diese Kennzahl steuern und nicht gerade an diesem Tag einen unüblich hohen Lagerbestand haben oder eine maximale Kreditlinienauslastung fahren, was alles die Bilanzsumme unnötig in die Höhe treibt und den Verschuldungsgrad versaut. Banken und Versicherer haben nun mal ihre Rating-Systeme, auch wenn sie manchmal nicht wirklich passen.

Was wir noch tun: Wenn wir Gewinnvorträge in der Firma haben, die ich mir ohnehin nicht ausschütten kann oder will, dann kann ich auch aus Eigenmitteln der Gesellschaft gelegentlich das Stammkapital an meine Firmengröße anpassen. Haben wir gerade im Mai wieder gemacht. Sieht einfach besser aus und die Bank weiß, dass es zumindest für den Eigentümer schwieriger ist, mit dem Geld abzuhauen.

Ein anderer klassischer Fehler ist eine Umgründung. »Wir sind so erfolgreich damit, wir haben gerade extra für diesen Bereich eine neue Gesellschaft aufgemacht«. Ja, nur ist die dann komplett neu und ohne Kredithistorie, also erst einmal nicht kreditwürdig. Es sei denn, eine Muttergesellschaft haftet dafür, und zwar so, dass das jeder im Handelsregister sehen kann.

Für unsere Entscheidungen im eigenen Risiko gilt, dass der Kunde, der sich am meisten aufplustert – vor allem damit, wie hoch seine Millionen-Limite bei unseren Wettbewerbern sind – meist auf der schärfsten Rasierklinge reitet. Schaut man bei der Kreditentscheidung dann auf Google Earth nach und findet an der Adresse nur eine Gartenhütte anstatt der Firmenzentrale, die auf der Webseite abgebildet ist, dann ist der Fall schnell klar ...

Allerdings muss ich auch sagen, dass manche Kreditversicherer komisch entscheiden. Weil es davon nicht mehr so viele gibt, ist deren Macht einfach sehr groß. Sieht ein Versicherer plötzlich ein erhöhtes Risiko pauschal für ein ganzes Land oder eine ganze Branche, dann mag das den ein oder anderen tatsächlich ohne Schuld treffen.

Wie eingangs erwähnt, finden wir fast immer eine gute und schnelle Lösung. Kreditrisiken gehören zum Kerngeschäft eines Distributors. Aber – wir sind kein Venture Capitalist. Zahlt ein Kunde gut, sind wir mit eigenem Risiko schnell dabei. Und ich freue mich, dass wir dabei an keine Ratings gebunden sind und manchmal auch eine Bauchentscheidung treffen dürfen, weil man sich in unserer Branche kennt.